Sensorik: Die menschlichen Sinne als Werkzeug für die Getränkeentwicklung
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Wir sind es gewohnt, praktisch alles mit Instrumenten messen und analysieren zu können. Es gibt jedoch eine wissenschaftliche Disziplin in der Getränkeentwicklung, für die es noch keinen adäquaten Ersatz für den Menschen gibt: die sensorische Analyse, die manchmal einfach als „Sensorik“ bezeichnet wird.
Bei der rasanten technologischen Entwicklung kann es nur eine Frage von Jahren sein, bis ein alleskönnender Roboter erfunden wird. Bis es soweit ist, verlassen wir uns auch in der Getränkeentwicklung und Bewertung von Getränkegrundstoffen immer noch vor allem auf die geschulten menschlichen Sinne, wie Geschmack und Geruch. Sie geben uns in der Getränkeentwicklung eine Antwort darauf, wie eine Gruppe von Verbrauchern ein Produkt und dessen Qualität wahrnimmt und beurteilt.
Für alle Lebewesen sind die Sinne jene Kanäle, mit denen sie Informationen über die Umwelt einholen. Jeder von uns beurteilt Objekte und Situationen ständig bewusst oder unbewusst. Lebensmittel mit allen Sinnen zu bewerten – ob sie essbar sind oder schaden können – ist eine zentrale Überlebensstrategie des Menschen. Spannend: Angeboren und genetisch festgelegt sind nur die Grundgeschmacksarten und ihre Verknüpfung mit den Emotionen im Gehirn. Die feinen Nuancen werden individuell wahrgenommen, erlebt und bewertet. Durch vielfältige Erfahrungen und die soziokulturelle Integration entwickeln sich Ernährungsbiografien sehr individuell. Darum sind Vorlieben und Abneigungen etwas Persönliches. Allgemeine Trends am Getränkemarkt aber auch die Flavour Trends leiten sich aus verschiedenen Einflüssen, aber auch aus individuell häufig bevorzugten Geschmacksrichtungen ab.
Fakt ist aber, dass Konsumenten heute immer gerne neue Reize und damit auch neue Geschmackserlebnisse suchen.
Sensorik Test in der Getränkeentwicklung: Probanden bewerten den Geschmack
Das hat zur Folge, dass die subjektive Einschätzung der Prüfer deutlich stärker schwankt als die Ergebnisse technischer Messgeräte. Ein Sensorik Test muss in der Getränkeentwicklung daher immer auf einem Gruppenergebnis basieren und je nach Methode eine angemessene Anzahl von Probanden einbinden.
Die Anfänge der Sensorik liegen in den USA der späten 1930er Jahre, als die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion den Wettbewerb zwischen regionalen und nationalen Lebensmittelproduzenten verschärfte. Da in diesem Umfeld der Wettbewerb unter den Produzenten zunahm, erwies sich damals die sensorische Qualität von Produkten als sehr wichtig für den Erfolg des Produkts. So kam es dazu, dass die Entwicklung standardisierter sensorischer Bewertungstechniken angeregt wurde: Die sensorische Bewertung ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts Teil der Lebensmittelwissenschaft. Heute ist sie aus der Getränkeentwicklung nicht mehr wegzudenken.
Sensorische Beurteilungsmethoden ermöglichen es, die Eigenschaften von Produkten zu beschreiben und/oder aus unterschiedlichen Perspektiven zu bewerten.
Zum einen stehen in der Getränkeentwicklung sensorisch-analytische Prüfverfahren zur Verfügung, die in einem Kreis speziell geschulter Personen, dem Panel, zur objektiven Prüfung von Produkten eingesetzt werden. Sie konzentrieren sich entweder auf die Überprüfung von Abweichungen zu Standards und das Auffinden von Unterschieden oder auf die Messung und Beschreibung der relevanten Eigenschaften von Produkten hinsichtlich ihrer Intensität.
Eine wichtige Voraussetzung für die beschreibende sensorische Bewertung in der Getränkeentwicklung ist eine einheitliche Fachsprache, die die sensorischen Eigenschaften des Produktes beschreibt.
Zu den üblichsten Methoden zählen:
• der Paartest: Dabei wird die Vergleichsreferenzmit einer eigenen Stichprobe verglichen
• der Dreieckstest: Dabei hat der Verkoster drei Stichproben vor sich und soll feststellen, welche zwei identisch sind und welche sich von den anderen beiden unterscheidet
Auf der anderen Seite gibt es sogenannte hedonische Testverfahren, die die subjektive Bewertung von Produkten durch Verbraucher – also durch Laien – nutzen. Quantitative hedonische Methoden geben Aufschluss darüber, ob Menschen ein Produkt mögen oder nicht, oder welches Produkt einem anderen vorgezogen wird. Diese Tests werden oft als "Akzeptanz-" oder "Verbraucher"-Test bezeichnet. Bei qualitativen Methoden werden allgemeine Gewohnheiten, Erwartungen usw. untersucht.
Sensorik in der Getränkeentwicklung: Standardisiert nach DIN- und ISO-Normen
Die Sensorik ist ein interdisziplinäres Gebiet der Wissenschaft, das nicht nur in der Lebensmittelbewertung, sondern beispielsweise auch in der Automobil- oder Kosmetikentwicklung zum Einsatz kommt und über ein sehr breites Portfolio an validierten Prüfmethoden verfügt. Diese wurden oft auch nach DIN- und ISO-Normen standardisiert. Werden bei analytischen sensorischen Tests geschulte Personen eingesetzt, ist wie bei allen anderen analytischen Messgeräten deren Qualitätsleistung und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse entscheidend.
Dabei wird nichts dem Zufall überlassen: So beschreibt beispielsweise die Norm DIN EN ISO 8586 „Sensorische Analyse - Allgemeiner Leitfaden für die Auswahl, Schulung und Überprüfung ausgewählter Prüfer und Sensoriker“ ausführlich den zeitaufwändigen Prozess der ersten Identifizierung geeigneter Personen, die fähig wären, selbst kleinste Konzentrationsunterschiede von Basisaromen zu erkennen. Es folgt ein intensives sensorisches Training über mehrere Sitzungen, damit der Mensch als „objektives Prüfwerkzeug“ vergleichbar mit einem elektronischen Messgerät genutzt werden kann.
Verbraucher beurteilen, was schmeckt
Um objektive Antworten auf analytische Fragen zu erhalten, ist es notwendig, eine entsprechende Laborumgebung zu schaffen. Bei der Bewertung von Produkten müssen die Prüfer identische Bedingungen wie Beleuchtung, neutrale Atmosphäre oder Raumtemperatur haben. Die Prüfung erfolgt in separaten Kabinen. In manchen Fällen ist es notwendig, den Einfluss des Sehvermögens auf die Bewertung von Lebensmitteln zu begrenzen, so dass in den Prüfkabinen spezielle Lichtfilter oder undurchsichtige Becher verwendet werden. Die aus sensorischen Bewertungen gewonnenen Daten müssen in der Regel mit statistischen Methoden ausgewertet werden, da nur diese einen validen Rückschluss auf das geprüfte Produkt ermöglichen.
Die Qualität des Produkts sollte nicht nur von Experten, sondern auch von Verbrauchern beurteilt werden: Letztendlich sollten sie diese Lebensmittel kaufen und konsumieren. Bei hedonischen (Verbraucher-)Tests in der Getränkeentwicklung können jedoch nicht die gleichen Testbedingungen für die Teilnehmer garantiert werden, zudem werden Laien-Prüfer nicht geschult. Aus diesem Grund ist es notwendig, bei hedonischen Tests viel mehr Personen einzubeziehen als bei analytischen Tests, damit die Ergebnisse der statistischen Verarbeitung ausreichend robust und zuverlässig sind.
Industrielle Sensoren als „Spiegelbild des Verbrauchers“
Die sensorische Analyse findet Anwendung in der industriellen und handwerklichen Produktentwicklung, in der Produktion, in der Qualitätskontrolle, in der Qualitätssicherung, im Marketing und auch in der Forschung.
Die meisten Unternehmen, die Konsumgüter herstellen oder Rohstoffe an die Produktion liefern, verfügen über eigene Fachabteilungen und Experten, die sich auf die sensorische Analyse spezialisiert haben. Industrielle Sensoren ermöglichen es – als „Spiegelbild des Verbrauchers“ – die Interessen, Anforderungen und Bedürfnisse des Verbrauchers zu verstehen und deren effektive Anwendung in der Entwicklung entsprechender Produkte zu ermöglichen. Daher verwenden immer mehr Unternehmen die Sensorik als strategischen Bestandteil von Marketingentscheidungen, um die Haupttreiber der Produktakzeptanz zu identifizieren und zu quantifizieren. Sensorik ist somit Teil des gesamten Produktlebenszyklus: Sie steigert die Effektivität und Effizienz der Produktentwicklung und kann damit die Flop-Raten für Innovationen reduzieren.
Das Entwicklungslabor von Austria Juice verfügt über einen professionell ausgestatteten Sensorikraum, in dem die Verkostungen durchgeführt werden. Des Weiteren stellt sich das Sensorikpanel der Getränkeentwicklung bei Austria Juice aus Mitarbeitern mit langjähriger sensorischer Erfahrung zusammen.
FAZIT:
Sensorik ist spannend und ein wichtiger Schritt in der Getränkeentwicklung: Sie bezieht sich auf die verschiedenen Aspekte, die den Erfolg eines Produktes am Markt bestimmen. Dazu zählen soziologische sowie psychologische und kulturelle Faktoren, aber auch wissenschaftliche Faktoren etwa aus der Neurobiologie und der Lebensmittelchemie. Damit ist Sensorik ein einzigartiges interdisziplinäres Feld der Wissenschaft, die in der Getränkeentwicklung nicht durch maschinelle Techniken, sondern von Menschen getestet und verbessert werden kann. Bei den unterschiedlichen Testverfahren zur Sensorik werden alle möglichen Einflussfaktoren berücksichtigt – wie Raumtemperatur oder Farbgebung der Produkte – um zum aussagekräftigsten Ergebnis für die Produktentwicklung zu gelangen.
Jan PetkaAuthor
Flavorist